Institutionelle Re-Akkreditierung verweigert -
Entscheidungen des Wissenschaftsrates
Im Sommer und Herbst 2015 hat der Wissenschaftsrat zwei bemerkenswerte Entscheidungen getroffen: Zum einen wurde eine Hochschule, die seit über 40 Jahren existiert und
bereits einmal erfolgreich institutionell akkreditiert wurde, nicht reakkreditiert. Bereits im Sommer 2015 war aufmerksam registriert worden, dass eine Hochschule nach einer vorangegangenen positiven
Konzeptakkreditierung nicht reakkreditiert wurde. Damit endeten zwei von zwölf der jüngsten Akkreditierungsverfahren mit negativem Bescheid. Es ist ein Novum, dass der WR eine einmal getroffene
positive Akkreditierungsentscheidung derart grundlegend revidiert.
Für die betroffenen Hochschulen hat das erhebliche Folgen, die bis zur Schließung führen können, wie es zuvor bereits bei HAW Bamberg (2013) und der IUCE Freiburg
(2012) der Fall war.
Wir dokumentieren nachfolgend die wesentlichen Passsagen aus den beiden aktuellen Beschlüssen in anonymisierter Form:
1. Institutionelle Akkreditierung positiv - Reakkreditierung negativ
"Ausschlaggebend für die negative Reakkreditierungsentscheidung sind insbesondere folgende Mängel:
- Die im Rahmen der Erstakkreditierung geforderte strukturelle Trennung der Hochschule von dem
Berufskolleg, das der Träger am selben Standort unterhält, ist nach wie vor nicht hinreichend klar erfolgt. Abgesehen von den Lehrergebnissen sind die notwendigen Distinktionsmerkmale, die die
Hochschulförmigkeit der ... Hochschule begründen würden, im Ganzen nicht erkennbar. Der Wissenschaftsrat hat im Rahmen der Erstakkreditierung darauf hingewiesen, dass die gesellschaftsrechtliche
Trägerfunktion und die akademische Leitung der ... Hochschule nicht in einer Hand liegen dürfen und verlangte vor diesem Hintergrund eine Änderung der Grundordnung innerhalb von zwei Jahren.
Dennoch war der Rektor der ... Hochschule bis kurz vor dem Ortsbesuch der Arbeitsgruppe in Personalunion zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der Trägergesellschaft und leitete die Hochschule
in einer Art, die der Professorenschaft keine angemessenen Mitwirkungsmöglichkeiten eröffneten. Die Hochschule hat erst im laufenden Reakkreditierungsverfahren zwei Monate vor dem Ortsbesuch der
Arbeitsgruppe einen Wechsel in der Hochschulleitung herbeigeführt und damit die seit Jahren bestehende nicht hochschuladäquate Personalunion von Rektor der Hochschule einerseits und Gesellschafter
und Geschäftsführer der Trägergesellschaft andererseits aufgehoben. Angesichts der einflussreichen Rolle des Betreibers in der Vergangenheit ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich die
Selbstverwaltungsstrukturen in der gelebten Praxis hochschulförmig entwickeln werden.
- Es ist klar erkennbar, dass die Entscheidungsprozesse nicht in dem Maße in den akademischen Gremien
verankert sind, wie das von einer Hochschule zu erwarten wäre. Die Auflage des Wissenschaftsrates, eine akademische Selbstverwaltung mit allen Rechten und Pflichten an der Hochschule zu etablieren,
wurde nicht zufriedenstellend erfüllt. Der Senat verfügt als das zentrale akademische Gremium der Hochschule gegenüber der Hochschulleitung immer noch über eine zu schwache Stellung. Der Anteil der
Professoren, die per Wahl in ihr Amt gelangt sind, ist zu gering, um die Professorenschaft in ihrer Breite zu repräsentieren. Auch tagt der Senat unregelmäßig und selten.
- Die Berufungsordnung sieht weder die Beteiligung externer wissenschaftlicher Expertise noch die
Mitwirkung einer oder eines Gleichstellungsbeauftragen an den Berufungsverfahren vor.
- Die Planungen zur Einführung eines Masterstudiengangs, zu dessen inhaltlicher Ausrichtung nur
widersprüchliche Informationen vorlagen, lassen ein fehlendes Verständnis für die nötige personelle und wissenschaftliche Unterlegung von Masterangeboten hervortreten.
- Der ... Hochschule ist es in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen, ein inhaltliches
Forschungsprofil zu entwickeln und ein Anreizsystem zur Förderung der Forschung aufzubauen. Auch die geringen Publikationsleistungen der Professoren belegen, dass die Forschung an der Einrichtung
nicht in der Weise verankert ist, wie es von einer Hochschule zu erwarten wäre. Besonders schwer wiegt, dass die Hochschule keine plausiblen Vorstellungen präsentieren konnte, wie dieses Defizit in
der Forschung behoben werden soll.
- Die Ausstattung mit hauptberuflichem professoralen Personal ist insgesamt für den Betrieb der Hochschule
nicht hinreichend. Die Professoren der ... Hochschule werden in zum Teil erheblichem Umfang für Lehr- und Verwaltungsaufgaben im Berufskolleg eingesetzt; bei vier von zehn Professoren liegt die
Lehrverpflichtung im Berufskolleg deutlich höher als in der Hochschule. Auch wenn diese Personen formal als hauptberufliche Professoren der ... Hochschule angestellt sind, ist es daher höchst
fraglich, ob sie zum akademischen Kern der Hochschule gezählt werden können. Nicht angemessen ist auch, dass Personen, die Leitungsfunktionen an der Hochschule (Rektor, Prorektor, Dekan) bekleiden,
in der Regel auch eine leitende Funktion im Berufskolleg (Schulleiter) innehaben. Ein ausreichendes Engagement der hauptberuflichen Professoren in Forschung und akademischer Selbstverwaltung wird
zudem durch die außergewöhnlich hohe Jahreslehrbelastung von durchschnittlich rd. 700 Lehrveranstaltungsstunden an Berufskolleg und Hochschule strukturell verhindert. Eine einheitliche und
transparente Regelung zur Reduktion des Regellehrdeputats, die die nötigen zeitlichen Freiräume für die Forschung strukturell ermöglichen würde, existiert an der Hochschule nicht.
- Die ... Hochschule hat keinerlei Bemühungen auf dem Gebiet der Gleichstellung unternommen. Es existiert
weder ein Gleichstellungskonzept, noch wurde eine Gleichstellungsbeauftragte bzw. ein Gleichstellungsbeauftragter ernannt.
- Die Bibliotheksausstattung genügt trotz erkennbarer Nachbesserungen seit der Erstakkreditierung noch
nicht den Anforderungen an eine Hochschulbibliothek. Dies ist umso kritischer zu bewerten, als es in der unmittelbaren Umgebung keine anderen wissenschaftlichen Bibliotheken gibt, die von
Studierenden und Lehrenden genutzt werden können.
- Die ... Hochschule hat in den letzten Jahren trotz der konstanten Zuwendungen des Landes überwiegend
Fehlbeträge ausgewiesen. Dies dürfte insbesondere an den seit der Erstakkreditierung deutlich rückläufigen Studierendenzahlen liegen, die aktuell weit unter den damaligen Prognosewerten liegen. Auch
vor dem Hintergrund dieser Fehlprognose ist davon auszugehen, dass die prognostizierte Erhöhung der Einnahmen aus Studiengebühren nicht zu erreichen sein wird. Dies gilt umso mehr, als die Hochschule
ihre Hoffnung zur nötigen Steigerung der Studierendenzahlen in hohem Maße an die Einführung eines Masterstudiengangs und den dadurch erhofften Attraktivitätsgewinn des Gesamtkonzepts der
Trägergesellschaft knüpft. Dafür fehlen ihr jedoch die personellen und wissenschaftlichen Voraussetzungen. Da auch zur Nachhaltigkeit der staatlichen Finanzhilfen des Landes YYY, die wesentlich zum
Bestand der Hochschule beitragen, zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen möglich sind, ist die finanzielle Zukunftsfähigkeit der ... Hochschule nicht sichergesellt.
- Das Qualitätsmanagementsystem der Hochschule ist noch nicht ausreichend institutionalisiert. Im
Reakkreditierungsverfahren hat sich gezeigt, dass Entscheidungs- und Verfahrensabläufe an der Hochschule unzureichend dokumentiert sind.
- Während die Hochschule zu Lehrzwecken hervorragend in der regionalen Wirtschaft vernetzt ist, sind die
forschungsbezogenen Kooperationen trotz entsprechender Hinweise in der Erstakkreditierung immer noch nicht auf einem hochschuladäquaten Stand. Auch fehlt es an einer Strategie zum nötigen Ausbau der
Forschungskooperationen.
Der Wissenschaftsrat macht sich darüber hinaus die im Bewertungsbericht enthaltenen
Einschätzungen der Arbeitsgruppe in vollem Umfang zu eigen.
Die genannten Defizite sind in der Summe so schwerwiegend, dass sie nicht durch
Voraussetzungen, Auflagen und Empfehlungen zu heilen sind. Das Land YYY wird gebeten, den Wissenschaftsrat über den Umgang mit der negativen Reakkreditierungsentscheidung zu
informieren."
2. WR lehnt Re-Akkreditierung nach erforlgreicher Konzeptakkreditierung ab
"Der Wissenschaftsrat hat im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens die bislang erbrachten Leistungen in Lehre und Forschung sowie die
dafür eingesetzten Ressourcen der HOCHSCHULE ... geprüft. Die im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Bewertungsberichtes der Arbeitsgruppe gestützte Prüfung hat ergeben, dass die HOCHSCHULE den
wissenschaftlichen Maßstäben einer Hochschule nicht entspricht.
Im Rahmen des Reakkreditierungsverfahrens wurde eine Hochschule im Abschluss der Gründungsphase geprüft. Der Wissenschaftsrat stellt
fest, dass die Hochschule in den ersten Jahren des laufenden Hochschulbetriebes nur einen Teil der im Rahmen der Konzeptakkreditierung formulierten Entwicklungsziele hat realisieren können. Es
bestehen über alle Prüfbereiche hinweg zahlreiche Defizite, die teilweise so schwerwiegend sind, dass sie nicht durch Voraussetzungen und Auflagen geheilt werden können. Insbesondere sind folgende
Punkte kritisch anzumerken:
- Die im Leitbild propagierte Fokussierung auf den Mittelstand
findet sich nur teilweise in den Lehr- und Forschungsaktivitäten der Hochschule wieder. Gleiches gilt für die Leitbildkomponente „Internationalität“, die weder im Lehr- noch im Forschungsportfolio
der HOCHSCHULE angemessen zur Geltung kommt.
- Die vorgelegte Grundordnung der Hochschule benennt – im Gegensatz zu ihren Vorgängerversionen –
keinerlei kollegiales Selbstverwaltungsorgan, obwohl das Vorhandensein eines solchen Organs vom Wissenschaftsrat als zwingend vorausgesetzt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass eine natürliche Person,
die über 20 % der Anteile an der Trägergesellschaft verfügt, nicht nur als Geschäftsführer der Trägergesellschaft und der Betreiberin ... (die 80 % der Anteile an der Trägergesellschaft hält)
fungiert, sondern zusätzlich als Vertreter der Trägergesellschaft Mitglied der Hochschulleitung ... ist. Es liegt folglich eine dreifache Personalunion vor, die die Einflussnahme des Gesellschafters
auf hochschulische Angelegenheiten stark begünstigt und zur Folge hat, dass die Freiheit von Lehre und Forschung institutionell nicht abgesichert ist.
- Es ist nicht akzeptabel, dass mehrere an der HOCHSCHULE durchgeführte Berufungsverfahren nicht nach
wissenschaftlichen Standards erfolgt sind. Ferner weist die Berufungsordnung der HOCHSCHULE verschiedene Unklarheiten auf, da sie u. a. weder eindeutig regelt, wie die professorale Mehrheit innerhalb
der Berufungskommission zustande kommt, noch konkret benennt, welches Entscheidungsgremium den Ruf erteilt.
- Das Studienangebot der HOCHSCHULE kennzeichnet sich durch häufige Angebotswechsel, die u. a. dazu
geführt haben, dass das Profil der HOCHSCHULE mit seiner Kombination aus Sozial- und Pflegewissenschaften, Betriebswissenschaften sowie Grafik- und Modedesign sich nur im eingeschränkten Maße zum
fachbereichsübergreifenden Lernen, Lehren und Forschen eignet. Zur Gründung von zwei Studienzentren in Wien und Berlin sowie zu einem Teil des von der Hochschule geplanten Studienangebotes liegen der
Arbeitsgruppe weder ein inhaltliches Konzept noch Prognosedaten zur finanziellen und personellen Ausstattung vor, so dass keine Bewertung vorgenommen werden konnte.
- Es fällt auf, dass die von der Hochschule genannten Forschungsschwerpunkte nur teilweise im thematischen
Zusammenhang mit dem Studienangebot und den im Leitbild formulierten Zielen der Hochschule stehen. Ferner mangelt es an einem kohärenten Konzept zur institutionellen Förderung der Forschung:
Deputatsminderungen sind nur in sehr begrenztem Maß vorgesehen, ein Forschungsbudget wird allenfalls auf Nachfrage durch den Betreiber gewährt.
- Die derzeitige personelle Ausstattung der Hochschule genügt gleich in mehrfacher Hinsicht nicht den
Erfordernissen des akademischen Betriebs und der Hochschulverwaltung. Die erforderliche Abdeckung der Lehre durch hauptberufliche Professorinnen und Professoren wird nur in der Hälfte aller
Studiengänge sichergestellt. Auch im Service- und Verwaltungsbereich liegt eine personelle Unterbesetzung vor, die zur Folge hat, dass von einer zusätzlichen Belastung des wissenschaftlichen
Personals auszugehen ist, wenn dieses sich neben der Lehre und der Forschung auch verstärkt organisatorischen Aufgaben widmen muss. Vor dem Hintergrund der knappen Ressourcenplanung verdient
das hohe Maß an Motivation und persönlichem Engagement der haupt- und nebenberuflichen Lehrkräfte besonderen Respekt.
- Die Bibliotheksausstattung an den beiden Standorten in ... entspricht sowohl qualitativ als auch
quantitativ nicht den zu erwartenden bzw. erforderlichen Standards.
- Die vom Betreiber bereitgestellten Mittel sind zu knapp bemessen und genügen nicht den Erfordernissen
des akademischen Betriebs und der Hochschulverwaltung. Da zu manchen Entwicklungsvorhaben der Hochschule keinerlei Finanzdaten vorlagen oder von der Hochschule widersprüchliche Angaben gemacht
wurden, kann die Finanzplanung nicht adäquat beurteilt werden.
- Das Qualitätssicherungssystem der Hochschule bietet keine adäquate Grundlage, um dem im Leitbild
formulierten Ziel einer ständigen Verbesserung der Lehre und Forschung Rechnung zu tragen. Ferner wird moniert, dass das gesamte Reakkreditierungsverfahren von einem höchst unprofessionellen Umgang
der Hochschule mit verfahrensrelevanten Informationen gekennzeichnet war.
- Wenngleich positiv hervorzuheben ist, dass die HOCHSCHULE über gute Kontakte zu Praxispartnern in der
Region verfügt, sind ihre Kooperationen insgesamt zu punktuell bzw. nicht ausreichend institutionalisiert.
Das Verfahren zur Institutionellen Reakkreditierung durch den Wissenschaftsrat hat gezeigt, dass das Verständnis der Hochschule für
verlässliche hochschulische Strukturen und Entscheidungsprozesse sowohl im akademischen als auch im nichtakademischen Bereich so gering ausgeprägt ist, dass eine positive Entwicklung der Institution
nicht gewährleistet werden kann. Dies zeigt sich insbesondere in der Entscheidung der Hochschule, ihre erste Grundordnung, die im Rahmen der Konzeptakkreditierung als hochschulförmig eingestuft
worden war, durch eine Version zu ersetzen, die kein akademisches Selbstverwaltungsorgan vorsieht. Gravierend kommt ein systematischer Mangel an Transparenz hinzu, der unter anderem darin zum
Vorschein trat, dass die Hochschule die Arbeitsgruppe erst auf Nachfrage über einige ihrer Entwicklungsvorhaben informierte. Dies gilt sowohl für die Gründung zweier Studienzentren in Berlin und Wien
sowie für den geplanten Bachelorstudiengang im Bereich Logistikmanagement.
Aufgrund der genannten Monita gelangt der Wissenschaftsrat zu einer negativen Reakkreditierungsentscheidung. Das Land XXX wird gebeten,
den Wissenschaftsrat über den Umgang mit dieser Entscheidung zu informieren."